
War das schon bayerischer Wahlkampf? Auf das Thema „Ungleiche Wasserentgelte“ war die Bayern-SPD im Jahr 2017 nach Veröffentlichung der amtlichen Statistik im Freistaat gestossen und hatte die Landesregierung nach Gründen für die darin erkennbaren Wasserpreis-Unterschiede im Land befragt. Deren Antwort war erwartungsgemäß knapp, schliesslich sind die Wasserpreise auf Grund unterschiedlichster lokaler Gegebenheiten immer abweichend. Daher erklärte die Landesregierung, sie könne und wolle nicht in die Preisgestaltung bei Wasser eingreifen. Das ist plausibel, aber unterstützen könnte sie, denn es drängt sich eine andere Frage auf: Welche Rolle spielen die Grundpreisanteile in den Entgelten bei der Entwicklung der Wasserpreise in Bayern?
Landesregierung will „nichts“ gegen Entgelt-Unterschiede tun
„Gemäß Bericht des Landesamts für Statistik betragen die durchschnittlichen Kosten für die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung in Bayern im Jahr 2016 für Modellhaushalte mit 2 Personen 389,21 Euro. Dabei unterscheiden sich die Durchschnittskosten pro Regierungsbezirk von 356,71 Euro in Schwaben bis zu 451,01 Euro in Mittelfranken”, so beginnt die Anfrage der SPD-Fraktion. Die daraufhin gestellte Frage der SPD, was die Landesregierung gegen die Unterschiede tun wolle, antwortet diese kurz und knapp “nichts!”. Und begründet dies: Unterschiede in den Entgelten seien aufgrund regionaler Besonderheiten gar nicht vermeidbar. Denn, so wird weiter ausgeführt, „die „Differenz zwischen den Regionen“ sei den unterschiedlichen örtlichen Gegebenheiten geschuldet, welche unterschiedliche Gebührenhöhen mit sich bringen. Auf diese Gegebenheiten hat die Staatsregierung keinen Einfluss“.
Hohe Grundpreise scheinen in Bayern die Ausnahme zu sein
Bei genauem Hinschauen fallen allerdings schon Besonderheiten auf, die zum Handeln Anlass geben sollten. Der Grundpreis oder Systempreis ist für viele Wasserversorger mittlerweile zu einem entscheidenden Preisbestandteil geworden. Egal, wie sich die Nachfrage entwickelt, der Grundpreis sorgt für eine sichere Kostendeckung und trägt zur Preisstabilisierung bei. Und dies wird gerade in Bayern angesichts der restriktiver gewordenen Subventionspraxis der Staatsregierung für Wasserinfrastruktur immer wichtiger. Die Statistik zeigt, dass eine hohe Zahl der Versorger Grundpreisanteile aufweist, die auf Dauer die Kostendeckung bedrohen oder für Preissteigerungen gesorgt haben. Vielleicht hat aber auch der eine oder andere schon sparen müssen, die Auswirkungen könnte die anstehende bayerische Wasserverlust-Statistik belegen, deren Daten gegenwärtig erhoben werden.
19 Prozent beträgt der (auf Landkreisebene ungewichtete) durchschnittliche Anteil des jährlich festen Entgelts, das entweder an der Zählergröße oder an der Gebäudegröße bemessen wird. Insbesondere in Franken fallen geringe Grundpreise auf. Es ist sicher nur ein Zufall, dass dort die Durchschnittspreise vergleichsweise hoch sind. Wer als Versorger mit einem Grundpreisanteil von weniger als 10 Prozent bei Nachfragerückgängen oder demografischen Schwankungen seine Wasserpreise in Folge von Kostendeckungslücken anpassen muss, hat die Preisbremse noch nicht erkannt.
Es gibt auch gute Beispiele in Bayern: zwei von 96 kreisfreien Städten und Landkreisen haben ihren Grundpreis auf mindestens 30 Prozent angehoben. Jean Petra, Geschäftsführer der HEW HofEnergie+Wasser GmbH, berichtete jüngst auf einer Fachtagung in Hof, dass in der oberfränkischen Kreisstadt mit einer schrittweisen Anpassung der Grundpreise auf 45 % erfolgreich dem Rückgang der Wassernachfrage um ca. 28 % in 25 Jahren begegnet werden konnte. Wie Hof ist die Mehrzahl der nordbayerischen Kommunen von schwindenden Bevölkerungszahlen bedroht. Der Nachfragerückgang ist da nur eine Frage der Zeit. Da wird es nicht überraschen, dass die Umsatzerlöse einbrechen, wenn die Bevölkerung schwindet oder andere Gründe für Nachfragerückgang wirken.

Kostendeckend müssen die Entgelte sein, das fordern EU-Recht und Kommunalabgaben-Gesetze. Das kann auf Dauer nur mit mindestens 40- bis 50%-igen Grundpreisanteilen gelingen. Versorger, die ihre Grundpreisanteile gering halten und schließlich Kostendeckungsbeiträge insbesondere bei Nachfrageveränderungen fehlen, dürfen zwar auch auf „lokale Besonderheiten“ als Grund für steigende Preise verweisen, gemeint ist dann aber die “Wasserpreispolitik”.

VBEW verweist auf individuelle Gegebenheiten und Einfluss der Kommunalpolitik
Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (VBEW) erklärt dazu auf Anfrage: „Aus Sicht der reinen kalkulatorischen Lehre ist ein hoher Grundpreisanteil am Gesamtwasserentgelt in jedem Fall gerechtfertigt. Grund- bzw. Systempreise sollten in jedem Fall für die Verbraucher einen relevanten Anteil an den Wasserkosten ausmachen. In der Praxis regt sich jedoch regelmäßig Widerstand in den kommunalen Gremien und bei den Bürgern/innen bei einem übermäßig hohen Grundpreisanteil. Als Gründe werden häufig die finanzielle Überforderung von Kleinverbrauchern (z. B. Gartenhausbesitzern, Single-Haushalte) angeführt. Daher sollte man auch bei diesem Thema mit Augenmaß vorgehen und strukturelle Anpassungen im Entgeltgefüge ggf. mehrstufig über mehrere Jahre durchführen.”
Bayerische Landesregierung könnte Wasserpreisumstellungen unterstützen
Die 80%igen Fixkosten lassen sich auf Dauer nur schwerlich mit 10%igen Grund- oder Systempreisen decken. Als Reaktion müssen die Preise erhöht werden. Wenn schon, dann aber vorsorglich die Grundpreise. Bis diese, bei 10 Prozent beginnend, 40 Prozent erreicht haben werden, dürften aber einige Jahre und Preiserhöhungen nötig sein. Dieses Thema birgt ein Risiko, das kaum den örtlichen Gegebenheiten geschuldet sein dürfte, wohl aber dem wirtschaftlichen oder politischen Handeln der Verantwortlichen. Hier könnten auch die Verbände und die bayerische Landesregierung tätig werden und umstellungswilligen Versorgern Rückendeckung geben. In NRW und in Sachsen-Anhalt ist das auch gelungen. Die NRW-Landesregierung begrüßt derartige Umstellungen, wie sie mit dem „Systempreismodell“ 2012 auf den Weg gebracht worden sind. Auch die Landeskartellbehörde begleitet die Umstellungswilligen. Wasserpreisumstellungen haben sich als preisdämpfende Maßnahme nicht nur bei Mengenrückgängen bewährt.
Hierzu erklärt Fischer vom VBEW: “Eine staatliche Regulierung in dieser Frage halten wir für nicht sinnvoll. Die Unternehmen sollten ihre “Gestaltungsspielräume” behalten dürfen, um die örtlichen Verhältnisse bestmöglich berücksichtigen zu können. Beispielsweise gibt es in Bayern Regionen die einem starken Bevölkerungszuwachs erfahren und hier das Argument für hohe Grund- bzw. Systempreise, dass die Fixkosten auf immer weniger abgegebene Wassermenge umzulegen sind, gar nicht greift“.
Stimmt, Wasserpreise müssen individuell sein, das bedeutet aber auch, dass Wasserversorgern “individuell hohe Grundpreise” erlaubt sein müssten, um auf die zunehmenden ökonomischen Herausforderungen durch Netzalterungen und Aufbereitungserfordernisse reagieren zu können. Viele Versorger müssen bei Investitionen mit Erhöhungen der Mengenpreise und -Gebühren reagieren. Damit wäre auch die Verursachungsgerechtigkeit gefährdet. Diese Preispolitik dürfte auf Dauer das Kostendeckungsproblem verschärfen oder zu Lasten der Leistungsfähigkeit gehen. Genau das kann durch vorausschauende Wasserpreispolitik vermieden werden.
Grafik: Siegfried Gendries (Q.: Bayerisches Landesamt für Statistik)
Weiterführendes und Quellen
- Statistisches Landesamt Bayern, „Wasser- und Abwasserentgelte in Bayern 2014 – 2016“
- Antwort der Landesregierung Bayern auf die Kleine Anfrage der SPD zu Wasserpreisen
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